Selten sah unsere Wohnung so gut aus wie in der Lockdown-Zeit 2021. Zum ersten Mal seit Jahren hatte man die Zeit und keine Ausrede mehr, sich mit den aufgeschobenen Projekten in den eigenen vier Wänden zu beschäftigen. Der Keller wurde entrümpelt, der Kleiderschrank in feinster Marie-Kondō-Manier ausgemistet und die kleinen DIY-Projekte zur Verschönerung der Wohnung mehr oder minder erfolgreich umgesetzt.

Als Nächstes war der Kühlschrank dran. Das Gefrierfach musste mal wieder enteist und die Gemüseschublade gesäubert werden. Folglich wurde der Kühlschrank ausgeräumt, das Eis ausgekratzt und alles gründlich gereinigt. Noch eben die Kühlleistung angepasst und schon konnten wir ein weiteres Projekt auf unserer Liste abhaken. „Nice!“, dachten wir uns, bis wir ein paar Stunden später eiskalt überrascht wurden.

„… #@$!, ich hoffe, du magst Frozen Yogurt? Der Kühlschrank ist ja eiskalt! …“

Der Inhalt des Kühlschranks war gefroren. Wie konnte es dazu kommen? Die Kühlleistung war doch auf die niedrigste Stufe eingestellt? War unser Kühlschrank etwa kaputt? Eine längere Recherche im Internet hat uns dann auf die richtige Spur gebracht: Anscheinend waren wir selbst das Problem!

Wie sich herausstellte, hatten wir den Frozen Yogurt zu verantworten, da wir die Temperatur des Kühlschranks ungewollt auf 1 °C eingestellt hatten. Schön blöd.

Wie kam es zu diesem Unfall?

Illustration der Benutzeroberfläche des Kühlschranks, das Zeichen für „°C“ ist schwer zu erkennen.
Illustration der Benutzeroberfläche des Kühlschranks. (Fabien Kretzschmar)

Anders als die meisten Kühlschränke, die wir kennen, hatte dieser keinen Drehregler, um die Kühlleistung von niedrig bis hoch einzustellen, sondern eine digitale Temperaturregelung, die die konkrete Zieltemperatur im Kühlschrank einstellt. Bei genauerer Betrachtung befindet sich ganz rechts auf der Verkleidung sogar ein unscheinbares °C-Icon. Wir hatten also die Temperatur auf 1 °C anstatt auf die niedrigste Stufe 1 gestellt.

Lag der Fehler also wirklich bei uns, den Usern?

Die Frage kann mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden. Zwar waren wir die Täter, die die Joghurtkulturen eingefroren hatten, allerdings war es die Aufgabe der Interface-Designer*innen des Kühlschranks sicherzustellen, dass die Interaktion verständlich und intuitiv gestaltet ist. Im Allgemeinen müssen UI-Designer*innen sicherstellen, dass ihre Vorstellung von der Nutzung des Interfaces mit der Erwartung der User übereinstimmt. Wenn diese beiden Vorstellungen – oder auch mentalen Modelle – der Interaktion nicht übereinstimmen, ist eine schlechte Usability vorprogrammiert.

Wie uns mentale Modelle zu einer besseren Usability verhelfen können.

Schaubild zu mentalen Modellen nach Donald Normann.
Die abweichenden mentalen Modelle im Frozen-Yogurt-Fall. (Fabien Kretzschmar)

Der Begriff „mentales Modell“ wurde von Donald Norman bereits im Jahr 1988 in seinem Buch „The Design of Everyday Things“ geprägt. Noch vor der eigentlichen Interaktion haben wir eine bestimmte Vorstellung, wie ein Interface funktioniert oder sich verhalten wird. Diese Vorstellung wird durch unsere persönliche Erfahrung, kulturelle Einflüsse und allgemeine Konventionen geprägt. Wir bilden ein mentales Modell, wie sich ein System bei der Interaktion verhalten wird. Dieses Modell basiert auf einer Erwartungshaltung und nicht auf Fakten.

In dem Fall um den Frozen Yogurt hatten wir aufgrund unserer jahrelangen Erfahrung als Kühlschranknutzer das mentale Modell gebildet, dass eine kleine Zahl einer niedrigen Kühlleistung entsprechen würde. Das mentale Modell der Designer*innen sah vor, dass die Zahl der tatsächlichen Temperatur entspricht.

Durch das Betrachten der beiden Modelle kann eine mögliche Unstimmigkeit schnell identifiziert werden, die in der nutzerzentrierten Gestaltung auf zwei Arten behoben werden kann. Entweder wird das Interface an das mentale Modell der User angepasst, oder die User werden durch gutes Design dazu animiert, das für die Interaktion passende mentale Modell zu bilden. Es ist Aufgabe der Designer*innen, dies durch eine verständliche Übersetzung des Modells in das Interface zu ermöglichen.

Wie hätte man diesen „Unfall“ vermeiden können?

Ein Nutzertest hätte darüber Aufschluss geben können, ob der gewählte Lösungsansatz für die Regelung der Kühlleistung funktioniert und ob die mentalen Modelle der Designer*innen und User übereinstimmen.

Gutes Design kann durch den Gebrauch der Gestaltungsgrundregeln erzielt werden. In diesem Fall hätte die Platzierung der Temperatureinheit „°C“ unmittelbar neben der digitalen Anzeige durch das Gestaltgesetz der Nähe einen unmittelbaren Bezug zwischen Zahl und Einheit hergestellt. Eine größere Schriftgröße und eine stärkere Kontrastfarbe für die Temperatureinheit würden die Lesbarkeit verbessern. Das mentale Modell der User könnte durch diese Änderungen so beeinflusst werden, dass die mentalen Modelle übereinstimmen und eine Fehlinterpretation der Anzeige vermieden wird.

Was zeigt uns dieser (Un)Fall?

Durch den Unfall mit dem Frozen Yogurt hat der Kühlschrankhersteller einen kleinen Imageschaden erlitten, der auch nach der eigentlichen Nutzung des Interface in Erinnerung bleibt und womöglich die Kaufentscheidung beim nächsten Kühlschrankkauf beeinflussen wird.

Neben einer Anleitung zur Herstellung von Frozen Yogurt, zeigt dieser Fall, dass die Überprüfung der mentalen Modelle von Usern und Designer*innen im Designprozess einer Benutzeroberfläche essenziell ist, um eine gute Usability zu gewährleisten. Diese ist wiederum eine Voraussetzung für eine positive User-Experience.