Mein persönlicher erster Girls’Day als Teenager – leider kein guter Tag!
Ich erinnere mich gut daran, wie ich als Teenager beim Girls’Day teilnahm. Das Konzept war noch ganz neu, ein oder zwei Jahre alt. Mein Vater, immer bedacht um die Zukunft seiner drei Töchter, meldete meine Schwestern und mich für Angebote bei seinem Arbeitgeber, einem großen Industrieunternehmen, an. Klingt ja auch super: Mädchen für einen Tag in „typische Männerberufe“ reinschnuppern lassen, mit Klischees aufräumen, Kindern gezielt neue Perspektiven aufzeigen.
Leider war mein Girls’Day damals ein totaler Reinfall. Was als „Tag in der IT der Hausbank des Unternehmens“ angeboten wurde, stellte sich als Tag im Callcenter heraus. Zehn Mädchen wurden an zehn Telefone gesetzt und sollten den lieben langen Tag ein Trainingsprogramm durchspielen, bei dem sie sich gegenseitig anriefen. Eine spielte die Kundin und die andere die Servicemitarbeiterin und las vorgefertigte Antworten vom Bildschirm ab. Sterbenslangweilig. Das Beste am ganzen Tag waren die Spaghetti zu Mittag in der Kantine – und das will schon was heißen.
Das sollte IT sein? „Nee, nee, nicht mit mir“, dachte mein Teenie-Ich: „Dann studiere ich halt ‚irgendwas mit Sprachen‘ und ende de-fi-ni-tiv nicht in der IT.“
Jetzt bin ich doch in der IT gelandet, als Quereinsteigerin aus der Mathematik, und es ist gut so. Ich liebe es, mich in komplexe Probleme hineinzudenken, kreative Lösungen zu erarbeiten, immer dazuzulernen; ich genieße die Herausforderung, das Teamwork, das stolze Gefühl, wenn am Ende ein Stück Software steht, das dem Kunden das Leben ein bisschen einfacher macht, und ich sagen kann: „Dazu habe ich meinen Beitrag geleistet.“ Wie gerne würde ich meinem Teenie-Ich zeigen, dass das IT ist.
Der erste cronn-Girls’Day sollte ein Erlebnis werden!
Als dann dieses Jahr bei cronn die Idee aufkam, ein Angebot für den Girls’Day zu erarbeiten, wollte ich unbedingt dabei sein. Bloß ein besseres Programm auf die Beine stellen als die Bank damals! Aber wie zeigt man Mädchen im Alter zwischen 10 und 14 in einem einzigen Tag, wie es ist, Software zu entwickeln? Was Agilität heißt? Und welche vielfältigen weiteren Aufgaben es neben der Entwicklung in einem Softwareunternehmen gibt?
Mal eben eine Spring-Boot-Applikation hinstellen, wenn die Mädels in ihrem Leben keine einzige Zeile Code geschrieben haben, fällt ja wohl aus. Schnell fiel die Wahl auf die Programmierung von Lego-Mindstorms-Robotern. Meine Kolleginnen Paula, Ruth, Monika und ich bauten, planten, erdachten Übungen und Challenges für den Tag. Schon die Vorbereitung war ein riesiger Spaß.
Ein Tag, der nicht nur die Schülerinnen inspirierte!
Als dann endlich der Girls’Day kam, besuchten uns neun Mädchen in unserem schönen Office am Bonner Bogen und begeisterten uns restlos. Zunächst stellten wir kurz cronn, uns und einige unserer Kolleginnen sowie unsere Aufgaben vor. Dann lernten die Kids in drei Teams unsere drei Roboter kennen: Charlie, Blast und Gelo (es sind übrigens auch Mädchen, Charlie ist kurz für Charlotte - offensichtlich). In zunehmend schwereren Aufgaben erarbeiteten sie sich die Funktionen der Roboter – Bewegung, Licht, Sound – und die Bestandteile der Programmiersprache – Anweisungen, Schleifen, wenn-dann-sonst.
Nach jeder Übung präsentierten sie sich gegenseitig ihre Ergebnisse. Unser großes Finale war bei Weitem nicht trivial zu lösen und trotzdem meisterten die Teilnehmerinnen es mit Bravour. Bei Fragen und Problemen standen wir ihnen gerne zur Seite, aber gebraucht wurden wir kaum, so gut und selbständig lösten die Mädchen ihre Aufgaben. Dabei waren sie mit so viel Elan bei der Sache, dass wir sie zur Mittagspause erst einmal überreden mussten, die Roboter einmal für ein Stück Pizza beiseitezulegen. „Mädels, ihr macht das großartig, aber glaubt mir, es denkt sich besser mit einer Stärkung im Bauch!“
Für mich war es ein wunderschöner Tag. In wenigen Stunden sagten die Mädchen statt „Ich habe Programmieren noch nie verstanden“ plötzlich „Programmieren macht voll viel Spaß!“. Wir haben tolle Ergebnisse erzielt und dabei viel gelacht, gequatscht und Kekse geteilt. Die Mädchen bewiesen Neugier, Mut und Freude daran, Dinge auszuprobieren. Sie fanden kluge, kreative Lösungen; ihr Teamwork sowie ihre gegenseitige Unterstützung waren beeindruckend mit anzusehen.
Der Girls’Day macht Spaß – und zeigt neue Perspektiven.
Manche Leute fragen zu Recht, ob der Girls’Day und sein Pendant, der Boys’Day, überhaupt noch zeitgemäß sind. Wir wissen doch längst, dass es keine Männer- oder Frauenberufe gibt, oder? Und warum überhaupt die Trennung zwischen Mädchen und Jungs? Was ist mit Geschlechtervielfalt? Warum kein Kids’Day? Liebend gerne würde ich so etwas auch anbieten, aber eben auch, nicht stattdessen.
Studien belegen, was wir an diesem Tag selbst beobachten konnten: Wenn Mädchen unter sich sind, lernen sie in MINT-Fächern mehr, trauen sich mehr zu, fühlen sich wohler. Und wir brauchen noch immer Unterstützung für Mädchen und Frauen in diesen Bereichen. Nicht weil sie nicht schlau genug wären, das steht überhaupt nicht zur Debatte, sondern weil ihre Anwesenheit dort immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Das merke ich als Frau in der IT schon an den kleinen Dingen, wie der Tatsache, dass ich noch immer „Ach, du als Frau!“ höre, wenn ich von meinem Beruf erzähle.
Am schönsten wäre es, wenn sich der Girls’Day und der Boys’Day irgendwann selbst abschaffen würden: Wenn wir so viele Mädchen für Tech und Jungen für erzieherisch-pflegerische Berufe begeistern, dass alle ihren Interessen entsprechend und nicht nach Geschlechterklischees entscheiden. Aber da sind wir noch nicht, und so lange brauchen wir solche Angebote.
Eine IT mit Zukunft bietet allen klugen Köpfen Raum zur Entfaltung!
Wir hoffen, die Mädchen haben den Tag genauso genossen wie wir. Vor allem hoffen wir aber, wir konnten ihnen unsere Welt zeigen. Unsere Welt – keine Männerwelt. cronn steht mit einer Frauenquote von knapp über 20 % etwas besser da als der bundesdeutsche Durchschnitt der IT-Unternehmen. Hier arbeiten viele kluge, starke, engagierte Frauen und beweisen jeden Tag, dass das Klischee, IT sei Jungssache, nicht stimmt. Trotzdem ist da noch Luft nach oben, viel Luft.
Man kann diese Luft aber auch als Raum sehen, den die Mädchen einnehmen können - dazu nutzen können, sich und ihre Fähigkeiten frei zu entfalten. Aber das gelingt nur, wenn wir ihnen zeigen können, dass dieser Raum ihnen offensteht, genauso sehr wie ihren männlichen Klassenkameraden. Dass Mädchen (und mädchenhaft!) sein und Software entwickeln kein Widerspruch sind. Dass „typisch weibliche“ Talente wie Kreativität und Teamfähigkeit in der IT gebraucht und anerkannt werden. (Von dieser binären Einteilung in „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ kommen wir auch noch weg.) Und dass es verdammt viel Spaß macht, einen Roboter so zu programmieren, dass er tut, was man will – selbst wenn man ihn dabei ab und an gegen die Wand fährt.
„Unseren“ Mädchen möchte ich viel Spaß dabei wünschen, herauszufinden, was euer Weg in der Zukunft sein wird, sei es in der IT oder „irgendwas mit Sprachen“. Seid weiter so mutig wie heute, Dinge einfach mal auszuprobieren, nehmt Herausforderungen an, geht auch mal ein paar Holzwege, stürzt euch ins Abenteuer! Und wenn euch dieser Weg zu uns führt, freuen wir uns auf euch!